PNP041 - Täter, Opfer oder Gestalter? Über Schuld, Verantwortung und neue Perspektiven

„Wer ist schuld?“ – eine Frage, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Ob im Straßenverkehr, im Beruf oder im Privatleben: Häufig neigen wir dazu, uns entweder als Opfer oder als Täter wahrzunehmen. Doch dieses Schwarz-Weiß-Denken greift zu kurz. In dieser Episode des Potentiale Nutzen! Podcast beleuchten Konstantin Kowalski und Stephan Buchhester, wie wir in Konflikten neue Perspektiven einnehmen können – insbesondere die Rolle des Gestalters. Denn wer sich aus der Opfer-Täter-Dynamik löst, gewinnt Freiheit, Handlungsspielraum und innere Ruhe.
Opfer oder Täter? Unser Gehirn liebt einfache Rollen
Das Beispiel eines beinahe-Unfalls mit dem Roller zeigt: Konstantins spontane Wahrnehmung war klar – er fühlte sich als Opfer. Doch Stephan fragt: Wie würde wohl der Autofahrer argumentieren? Vielleicht: „Du warst nicht sichtbar genug“ oder „du warst zu langsam“.
Dieser Perspektivwechsel macht deutlich, dass unsere Kommunikation häufig zwischen zwei Polen pendelt: Täter und Opfer.
Psychologisch erklärt sich das durch sogenannte Attributionsfehler:
- Negatives schreiben wir gerne äußeren Umständen zu („der andere ist schuld“).
- Positives schreiben wir uns selbst zu („das habe ich geschafft, weil ich gut bin“).
Unser Gehirn schützt so den Selbstwert – doch es engt auch unsere Sicht ein.
Ein Männertrip, zwei Wahrheiten
Ein anschauliches Beispiel liefert die Diskussion über einen geplanten Männertrip ins Riesengebirge. Während die einen das Wandern als Highlight sahen, empfand Konstantin es fast als Ausschluss:
„Für mich sah es so aus, als ob ihr den Trip nur deshalb ins Gebirge geplant habt, um mir zu zeigen, dass ich nicht dazu gehöre.“
Aus Täter-Sicht hieße die Anklage: „Du zwingst mich, etwas zu tun, das ich nicht mag.“
Aus Opfer-Sicht: „Ihr schließt mich absichtlich aus.“
Doch was wäre, wenn man dem anderen das Beste unterstellt?
- Vielleicht will jemand, der zum Wandern motiviert, nur die Gesundheit der Freunde fördern.
- Vielleicht kommt jemand ohne Wanderlust trotzdem mit, um zu kochen, zuzuhören oder Gemeinschaft zu stiften.
Dieser Perspektivwechsel öffnet neue Interpretationsräume.
Wenn Konflikte eskalieren: Das Beispiel „Dieter aus Frankfurt“
Konstantin erinnert sich an einen ehemaligen Kollegen („Dieter aus Frankfurt“), mit dem die Zusammenarbeit extrem schwierig war. Seine Wahrnehmung: Opfer.
Dieters Kommunikation: typisch „Täter“, oft mit Fußballvergleichen oder dem Hinweis auf Erfahrung.
Das Wechselbad der Gefühle reichte von Trauer, Wut und Machtlosigkeit bis zu Schadenfreude und schließlich Resignation.
Stephan erklärt:
- Opfer-Kommunikation äußert sich durch Vorwürfe („du hast…“, „du bist schuld“).
- Täter-Kommunikation reagiert mit Rechtfertigung („ich musste so handeln, weil…“).
Beide Rollen sind unbefriedigend – sie verhärten Fronten.
Der Ausweg: Die Rolle des Gestalters
Zwischen Täter und Opfer gibt es eine dritte Möglichkeit: Gestalter.
Gestalter übernehmen Verantwortung, ohne Schuldzuweisungen. Sie fragen:
- „Was kann ich tun, um es das nächste Mal klarer zu erklären?“
- „Wie kann ich die Situation transparenter machen?“
Typische Strategien:
- Ich-Botschaften nutzen („Ich habe das Gefühl…“, „Ich wünsche mir…“).
- Präsens-Sätze sprechen („Ich stelle es Ihnen jetzt noch einmal dar.“).
- Wenn-Dann-Beziehungen formulieren („Wenn ich ein Beispiel wähle, dann, um das Thema anschaulich zu machen.“).
- Gefühle aushalten, ohne sofort in Verteidigung zu gehen.
So wandelt sich Kommunikation von Vorwürfen zu konstruktivem Dialog.
Gesellschaftliche Muster: Warum Täter und Opfer so präsent sind
Stephan verweist auf historische Ursachen: In Religion und Rechtssystem sind Täter-Opfer-Strukturen tief verankert. Von Buße und Vergebung bis hin zu Strafrecht und Täter-Opfer-Ausgleich – unsere Kultur ist darauf geprägt, Schuld zu suchen.
Doch gerade in der Mediation zeigt sich: Ein Gestalter-Ansatz kann Konflikte entschärfen, indem er die Folgen des eigenen Handelns anerkennt, ohne Schuldzuweisungen zu verhärten.
Fazit: Freiheit durch Gestaltung
Ob im Beruf, in der Familie oder im Straßenverkehr – wir werden immer wieder mit der Schuldfrage konfrontiert. Doch statt automatisch Täter oder Opfer zu sein, können wir uns bewusst für die Rolle des Gestalters entscheiden. Das kostet Energie, bringt aber langfristig Entlastung und mehr Möglichkeiten.
Konstantin beschreibt es passend: Manchmal reicht es, Mails in den Spamordner zu verschieben – und damit das Thema innerlich zu beenden. Auch das ist Gestaltung.
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